Die Geschichte von Kirschheck

Der Name 'Kirschheck' ist eine ehemalige Waldbezeichnung, die dann auch zur Bezeichnung der Schächte sowie der entstehenden Siedlung diente.
Der Name dürfte hier am ehesten einen Niederwald bezeichnen, der reich an
Wildkirschbäumen war. Sehr viel mehr läßt sich zu Kirschheck nicht ermitteln.*

Kirschheck liegt auf dem Bergrücken zwischen dem Köllerbachtal/Burbachtal und dem Steinbachtal/Fischbachtal und gehörte bis 1936 zur Bürgermeisterei Sellerbach. Von 1936 war die neue Bürgermeisterei Riegelsberg zuständig. Seit der Gebietsreform von 1974 gehört Kirschheck zu Saarbrücken.

Kirschheck im Garten der Familie Scherer im Jahre 1928

Riegelsberg/Sellerbach

Als Riegelsberg bezeichnete man die Anhöhe westlich der Landstraße von Saarbrücken über Lebach nach Trier, auf der heute der Hindenburgturm steht. Als Flurbezeichnung findet der Name Riegelsberg erstmals 1731 urkundliche Erwähnung.
Eine erste Siedlung bestand vermutlich bereits im Jahre 1764. Die Siedlung Riegelsberg bildete ursprünglich einen Ortsteil der Gemeinde Güchenbach.
Verwaltungsmäßig gehörte die Gemeinde Güchenbach zur Bürgermeisterei Sellerbach, die im Jahre 1816 im Zuge der Unterteilung des Kreises Saarbrücken geschaffen worden war.

Im Jahre 1875 wurde Riegelsberg nach dem Bau des neuen Rathauses Amtssitz der Bürgermeisterei Sellerbach.
Letztere wurde 1936 nach ihrem Verwaltungssitz in Bürgermeisterei (später Amt) Riegelsberg umbenannt. Jahrhundertelang bildete die Landwirtschaft die Haupterwerbsquelle für die Bevölkerung des gesamten Köllertales.
Die Anfänge des Steinkohlebergbaus im Köllertal lassen sich zwar bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen, zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelte sich der Bergbau aber erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Erschließung seitens des preußischen Bergfiskus.
Die entscheidenden Impulse für die Bevölkerungs-, Siedlungs- und Wirtschaftsentwicklung des Riegelsberger Raumes gingen
von der Grube Von der Heydt aus, die im Jahre 1852 in Betrieb genommen wurde.
Walpershofen und Riegelsberg entwickelten sich zu
aufstrebenden Orten, die ihre Einwohnerzahlen infolge der industriellen Entwicklung vervielfachen konnten.

Die Sozialstruktur im Köllertal des 19. Jahrhunderts

Bis Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Familien der „Päärdsbaure“ (= Pferdebauern)  das soziale Leben des Köllertales bestimmt.
Ihre mächtigen Bauernhäuser vom Typ des Südwestdeutschen Einhauses, von denen nicht wenige schon Ende des 17. Jahrhunderts und im frühen 18. Jahrhundert entstanden, bestimmten die Ortsbilder.

Ihre Oberhäupter saßen regelmäßig in den Gemeinderäten.
Die Bevölkerungszahlen in den Dörfern veränderten sich bis 1850 kaum, lediglich einige Hugenotten aus dem Raum Ludweiler heirateten in einzelne Familien des Köllertals ein. Ab 1850 veränderte sich jedoch dieses jahrhundertealte Sozialgefüge.
Innerhalb weniger Jahrzehnte entstand eine neue Bevölkerungsstruktur.
Bedingt durch die ständig steigende Zahl von Arbeitsplätzen kamen seit Mitte des 19. Jahrhunderts viele Menschen aus dem nahen Hochwald und Hunsrück in die Gemeinden des mittleren und unteren Köllertales.
Am deutlichsten war der Bevölkerungszuzug in den Gemeinden mit dem kürzesten Weg zur Grube bzw. zur Hütte (Völklingen, Püttlingen, Engelfangen, Sellerbach, Dilsburg, Güchenbach, Buchenschachen, Hixberg, Pflugscheidt, Riegelsberg). Seither bekam das früher mehrheitlich evangelische Tal auch etliche neue katholische Pfarreien.
Nicht nur die Zugezogenen, sondern auch immer mehr Männer aus dem Köllertal wurden Bergleute oder Hüttenarbeiter. In der sozialen Rangordnung avancierten die Bergleute durch ihre schiere Zahl zur dominanten Schicht, erkennbar an ihrer Präsenz in den Gemeinderäten nach 1900.
Baulich spiegelte sich die soziale Entwicklung im wachsenden Anteil von Bergmannsbauernhäusern bzw. Bergmanns- und Arbeiterhäusern im Ortsbild (z. B. Sellerbach, Engelfangen, Etzenhofen) wider.

Die Folgen für die Bürgermeisterei Sellerbach

Am deutlichsten vollzog sich der Wandel von Bauerndörfern zu Industriedörfern im Einzugsgebiet der Bürgermeisterei Sellerbach.
Eine ihrer Gemeinden, Riegelsberg, war ursprünglich nur ein Wohnplatz auf dem Talrand gewesen, vervielfachte aber wegen der Nähe zu den Grubenstandorten Von der Heydt, Engelfangen (Schacht Viktoria III) und Dilsburg (Schacht der Grube Holz) die Einwohnerstärke dergestalt, daß Riegelsberg gegen Ende des 19. Jahrhunderts größer war als Sellerbach, der bisherige Sitz der Bürgermeisterei.

Durch das erhöhte Riegelsberger Steueraufkommen wurde gegen die Interessen der anderen Gemeinden der Bürgermeisterei am Ende des 19. Jahrhunderts der Bau eines neuen Bürgermeisteramtes in Riegelsberg erzwungen.
Bis zum Jahr 1932 mußten die Bewohner aller anderen Talgemeinden nach Riegelsberg hochsteigen, quer zur traditionellen Hauptverkehrsrichtung an einen Ort, der in der bisherigen Geschichte des Tales kaum eine Rolle gespielt hatte.
Erst nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen gelang es 1932 sechs Gemeinden der alten Bürgermeisterei (Kölln, Engelfangen, Sellerbach, Herchenbach, Rittenhofen und Etzenhofen), im Zusammenschluß zum neuen Dorf Köllerbach eine Gemeinde mit eigener Bürgermeisterei zu bilden – es blieb die einzige Dorfneugründung dieser Art in der Saargebietszeit und im Saarland während des gesamten 20. Jahrhunderts.

Bedeutende Jahreszahlen für das Kirschheck

1808 - Nach Angaben des Duhamel Atlas von 1808 gehörte der Bereich Kirschheck zur „Concession de Neuhaus“ unter französischer Herrschaft.
Die Waldbestände aus Eichen und Buchen wurden als so genanntes „Holländerholz“ genutzt und wieder aufgeforstet. Nicht aufgeforstete Flächen wurden zur Landwirtschaft und zur Viehzucht genutzt.

1815 - Das Gebiet des heutigen Saarlandes kommt an Preußen, Bayern, Oldenburg und Sachsen-Coburg- Saalfeld

1857 – Nachdem im Jahre 1852 unter preußischer Regierung die Grube Von-der-Heydt gegründet wurde, und der so genannte Burbachstollen Richtung Steinbachtal zum erreichen der Amelung Flöze vorangetrieben wurde, musste dringend zur Wetterführung sowie der Kohlen- und Bergförderung ein Schacht abgeteuft werden.
Es entstand der Kirschheckschacht 1. Gleichzeitig errichtet man Versorgungsgebäude (heutiges Kirschheck 1 und 2). Bei der damaligen Kohleförderung konnte man in Von-der-Heydt keine Bergehalde errichten.
So wurde entschieden, das Steinbachtal zu nutzen. Die „Berge“ wurden also unterirdisch wieder bis zur Kirschheck gebracht, dort aus Schacht 1 gefördert und unterhalb der Kirschheck abgelagert

Kirschheckschacht I

Funktion:
Förder- u. Wetterschacht
Angehauen: 1857
Hängebank +328 m NN
Teufe: 269 m
Querschnitt: rechteckig 6,12 x 2,04 m Verfüllt 1962

Zum schnelleren Auffahren des 1855 angehauenen Burbach-Stollens hieb man 1856 in der Kirschheck einen eigenen Schacht an, aus dem 1858 in 45 Lachter Teufe-Sohle des Burbach-Stollens je ein Gegenort nach Norden und Süden angesetzt wurde. (1 Lachter = Ltr. =2,0924 m)

Die Förderung stieg stetig an und Aufgrund der sehr starken Gasbildung in der Grube musste eine verbesserte Wetterführung erreicht werden, Man beschloss das Abteufen von Kirschheckschacht 2.1859 – Der Kirschheckschacht 2 wird abgeteuft und nach Fertigstellung wie schon Schacht 1 zur Wetter, Material und Bergeförderung genutzt.

Kirschheck-Schacht II

Als 2. Gegenort zum Burbach-Stollen 500 m östlich des Kirschheckschachtes I angesetzt
Angehauen: 1859
Lage: Gemeinde Riegelsberg,ungefähr 2300 m vom Von der Heydt-Schacht.
Hängebank: +289,63 m NN.

1863 erreichte der Kirschheck-Schacht II bei etwa 35 Lachter (1 Lachter = 2,0924 m) das Amelung-Flöz. Hier wurde die 1. Sohle angesetzt und Grundstrecken aufgefahren.

1865 Aufstellung einer 50 PS- Förder- und Wasserhaltungsmaschine, im Januar 1866 betriebsbereit;
Kosten 50 000 Taler. Täglich wurden ungefähr 7000 Zentner Kohlen von der 1. Tiefbausohle bis zur Burbach-Stollensohle gehoben.
Eine weitere Dampfmaschine von 50 PS diente zur Wasserhaltung.

1876 wurde eine neue Fördermaschine aufgestellt.
Teufe: Das Schachtiefste lag bei +158,63 m NN in 131 m unter der Hängebank.

Querschnitt: Hierzu eine Notiz des Markschneiders Groß, Bergwerk Camphausen vom 18.8.1971: „ Nach den uns zur Verfügung stehenden Unterlagen wurde der obere Teil des ursprünglichen Kirschheck-Schachtes II mit rechteckiger Schachtscheibe 2,04 m x 3,80 m bereits vor 1923 abgeworfen und verfüllt und durch einen etwa 10 m seitlich abgeteuften neuen Schacht mit runder Schachtscheibe D= 2,90 m ersetzt. Dieser neue Schacht wurde unterhalb der Burbachstollensohle in 54 m Tiefe mit dem alten Schacht verbunden.“

Die Erfindung der Dampfmaschinen sowie die Einführung der Eisenbahnen führte zu einem dramatischen Anstieg der Förderquoten sowie zu einer stetig steigende Mitarbeiterzahl.
Zudem sackten die Gewinne ab, da man plötzlich Konkurrenz von fernen Gruben bekam (heutiges Ruhrgebiet sowie Lorrain).
Man sah sich gezwungen effektiver zu arbeiten. Dazu mussten die Anfahrtswege zu den Kohleflöten verkürzt werden und nötiges Arbeitgerät schneller vor Ort gebracht werden.
Man beschloss die Abteufung des Kirschheckschachts 3.

1890 – Der Kirschheckschacht 3 wird abgeteuft und nach Fertigstellung als Wetter, Material und Personenförderung genutzt.
Kirschheckschacht III
Funktion: Wetterschacht & Personenförderschacht
Angehauen: 1890
Hängebank +339 m NN
Teufe: 284 m
Querschnitt: oval mit 4,2 x 3,1 m
Verfüllt 1971

Gleichzeitig wurden mehrere Gebäude errichtet: eine Waschkaue, eine Schmiede, ein Steigerhaus sowie Pferdeschuppen, Stallungen und Sanitäranlagen.
Der Schacht 3 wurde überwiegend zu Personenförderung und Wetterführung genutzt.
Insgesamt fuhren weit mehr als hundert Leute am Kirschheckschacht 3 ein.
Mit der Einführung der Straßenbahn 1907 konnten die Bergleute jetzt bis Kirschheck fahren was eine erheblich Verkürzung des Weges zur Arbeit mit sich brachte.
Die Bergleute waren bis zu 01 Februar 1907 zu Fuß, auf den so genannten Bergmannspfaden, zur Grube gekommen.

1919 wurden auf der Kirschheck neue Grubenwohnungen gebaut, die von Markscheidern bezogen wurden.
Mit dem ersten Weltkrieg sowie die spätere Angliederung an Frankreich kam die Kohleförderung im Saargebiet in stocken.

1923 wurden die ersten Gebäude zu Grubenwohnung umgebaut. (Pferdestallungen, Steigenhaus)
Der Bergbau war in einer schweren Krise und so wurde im Bereich Kirschheck die bergbaulichen Tätigkeiten im Jahre 1934 komplett eingestellt.
Eine Wiederaufnahme der Förderung wurde aus Kostengründen abgelehnt. Zudem stand die Wirtschaftlichkeit in Frage, da das Flöz Amelung keine ausreichenden Reserven bot.

13. Januar 1935 - Die im Versailler Vertrag vorgesehene Volksabstimmung führt mit einem Ergebnis von über 90 Prozent zur Wiedereingliederung des Saarlandes in das unter nationalsozialistischer Herrschaft stehende Deutsche Reich.

1937 - Mit riesigem Aufwand wurde mit dem Bau des Westwalls begonnen der durch das komplette Steinbachtal führte.
Es wurden viele Bunker, Mienenfelder, Panzergräben und Höckerlinien zur militärischen Befestigung der Westgrenze des NS-Reiches gebaut.
Im Wald um die Kirschheck errichtete man auch eine Ablenkungsanlage zum Schutze der Burbacherhütte, ein so genanntes „potemkinschen Dorf“.
Das waren Baracken mit elektrischer Beleuchtung etwas abseits von heutigen Naturfreundhaus Kirschheck.

1944 – Bombardierung durch Alliierte

Bombentrichter nach Angriffen vom 09.08.1944, 05.10.1944 und 16.12.1944

An diesen 3 Tagen wurde das Gebiet um Kirschheck massiv bombardiert. Die Alliierten Fliegerpiloten glaubten, die Burbacher Hütte zu treffen. Geheimdienste hatten auch eine Raketenabschussbasis gemeldet, die tatsächlich unterhalb des Kirschhecks stand. (ca. 100 m im Wald gegenüber der Klärgrube). Bei dem Beginn der Angriffe wurde aus den umliegenden Bunkern gefeuert um zusätzlich eine schutzwürdige Einrichtungen vorzutäuschen.

Insgesamt kann man heute noch mehr als 300 Bombentrichter in der nahen Umgebung zählen.Auf dem Kirschheck selbst wurden 2 Gebäude getroffen, die nicht wieder aufgebaut wurden. (Maschinenhaus des Kirschheckschacht 3 sowie die Schmiede)

1947 - Das Saarland wird wirtschaftlich Frankreich angegliedert und erhält eine begrenzte Autonomie

1. Januar 1957 - Politische Rückgliederung: Das Saarland wird 10. Bundesland der Bundesrepublik Deutschland; die wirtschaftliche Rückgliederung erfolgt am 6. Juli 1959

nach 1962 - insgesamt 8 Neubauten entstehen auf dem Kirschheck

Bei einem Gespräch mit einem der letzten Zeitzeugen, Herrn Hans Scherer (geboren 1921 auf dem Kirschheck), der heute in Riegelsberg lebt, hat dieser die Situation sowie die Anwohner von 1920 bis 1935 beschrieben.
Wie aus der Zeichnung hervorgeht, hat Herr Scherer sich sogar an alle Namen der damaligen Anwohner erinnert.
Er beschrieb das Leben als Kind auf dem Kirschheck als fantastisch und obwohl überall Hunger und Not herrschte, auf dem Kirschheck gab es immer genug zu essen.
Der umliegende Wald und die stillgelegten Grubenschächte waren der „beste Spielplatz“ den man sich vorstellen konnte.
Als heranwachsender Jugendlicher war das Kasino in Von der Heydt ein sehr beliebter Anlaufpunkt. Dort verbrachte und erlebte man unvergessliche, tolle Stunden bei guter Musik und bester Laune.

Der Plan spiegelt eindruckvoll das damalige Leben wieder. Alle Bergleute/Familien unterhielten eine kleine private Landwirtschaft mit Viehhaltung zur Unterhaltssicherung.

 

 

Kirschheck von 1923-1935. Gezeichnet von Hans Scherer nach unserem 1. Interview im Spätsommer 2006

Hans Scherer sitzend, 2. von rechts

Hans Scherer beim besteigen der „Münchner Bank“. (Denkmal im Kirschhecker Wald)